Buchpassion – Meine Leidenschaft für die indigene Literatur
Es war Sonntag, der 21. Januar 2012. Ich war vor etwa einer Woche aus Juara zurück nach Rio de Janeiro gekommen. Juara ist eine kleine Stadt im Norden von Mato Grosso, an der Grenze vom Amazonas zum mittleren Westen Brasiliens. Die Stadt ist erst vor gut 30 Jahren gegründet worden. Vorher war dort noch Regenwald und Land der Indigenen. Und so hatte ich angefangen über Indigene in Brasilien zu recherchieren. Dabei habe ich die Fotografin und Aktivistin Liliam Maria Tataxina kennengelernt: Wenn ich wieder nach Rio komme, sollte ich mir die Aldeia Maracana anschauen.
Es war Sonntag, der 21. Januar 2012. Und es war Tag der Offenen Tür im Indigenen Kulturzentrum Aldeia Maracana. Tänze, Reden, indigenes Essen, Kunsthandwerk. Neben den Tischen mit Kunsthandwerk lag ein Tuch und auf dem Tuch lagen Bücher. Nein, nicht Bücher über Indigene. Es waren Bücher von indigenen Autoren! Eine Autorin war auch persönlich anwesend und stellte ihr Buch vor. Ich kaufte es und begann sofort zu lesen.
Ein Traum war geboren
So etwas hatte ich noch nicht gesehen. Vangri Kaingang beschreibt ein Ereignis aus mythischer Vorzeit ihres Volkes. Und aus jeder Zeile spricht die Vorstellung, dass der Mensch nicht der Besitzer der Welt ist, nicht über der Natur steht, sondern ein Teil von ihr ist. Und schon nach wenigen Minuten war mir klar. Ich möchte, dass es dieses Buch auch auf Deutsch gibt.
Zurück in Deutschland begann ich, Verlage zu recherchieren, die sich für das Buch interessieren könnten. Aber ich erhielt natürlich nur Absagen. Ich fuhr nach Frankfurt und traf mich mit Eva Massingue von Litprom. Und tatsächlich landete das Buch im Newsletter von Litprom. Aber zunächst gab es keine Reaktionen.
Ich hatte auch schon weitere Bücher und Autoren recherchiert. Und ein paar Bücher über Fernleihe bekommen. Ich bereitete eine Präsentation vor. Fuhr auf die Buchmesse und stellte das Projekt vielen Verlagen vor. Von ein paar gab es zunächst Interesse, schließlich aber doch Absagen.
Bitteres Erwachen
Dann gab es im Frühjahr 2013 doch noch eine Reaktion. Ein kleiner Verlag wollte das Buch. Aber das scheiterte dann auch. Und vielleicht war das auch gut, denn das Buch wäre im Programm des Verlags ein Fremdkörper gewesen. Und es kam der Herbst, und es kam die #FBM13. Brasilien war Gastland, aber ich hatte es nicht geschafft. Einen kleinen Erfolg gab es trotzdem, wenn wohl auch nicht meinen: Mit Daniel Munduruku war ein indigener Autor in der Delegation.
Literaturtage München, Linke Literaturmesse Nürnberg, Buchmesse Leipzig, und immer wieder Absagen. Und doch kam dann der erste Lichtblick: Ich hatte schon Bücher für die brasilianisch-österreichische Kinderbuchautorin und Verlegerin Tania Maria Rodrigues-Peters übersetzt. Schließlich gelang es mir dann, sie für das Projekt zu begeistern. Und prompt kam der nächste Rückschlag: Die großen brasilianischen Verlage hatten kein Interesse, Übersetzungsrechte zu verkaufen. Der einzige Verlag, der Interesse hatte, wollte einen Pauschalbetrag, und das war ein unkalkulierbares Risiko für Tania und ihren Kleinstverlag.
Ein langer Weg
Also mussten erst einmal Manuskripte her, deren Übersetzungsrechte nicht bei einem Verlag liegen. Und das einzige Buch, dessen Rechte beim Autor lagen, war just zu diesem Zeitpunkt bei einem Verlag untergekommen. Zur gleichen Zeit hatte ich beschlossen, aus privaten Gründen nach Manaus zu fliegen. Aber warum eigentlich nur privat? Ich schrieb indigene Autoren an, die dort lebten. Wir trafen uns, und ich erklärte ihnen das Projekt. Und bald bekam ich die ersten Manuskripte. Doch es war nicht einfach. Denn der brasilianische Buchmarkt und der deutsche unterscheiden sich erheblich. Und so dauerte es bis zu meiner dritten Reise nach Manaus im Frühjahr 2016 bis ich Manuskripte hatte, die für den deutschen Markt passen.
Ein Traum wird wahr
Bei all den Rückschlägen ist es manchmal schwer zu glauben. Aber es ist alles auf dem Weg. Es ist zwar noch nicht das Buch von Vangri, aber es sind Geschichten, die zeigen, dass der Mensch nicht Eigentümer der Welt ist, dass er nicht über der Natur steht, sondern ein Teil von ihr ist. Geschichten, wie sie seit Jahrhunderten oder noch viel länger von Menschen erzählt werden. Von Menschen, von denen wir viel lernen können – und sollten, damit der Mensch eine Zukunft hat auf diesem Planeten, oder auf der heiligen Mutter Erde, wie es die Indigenen sagen.
Nachtrag: Kurz nachdem ich den Artikel geschrieben hatte, bin ich auf die Blogparade Geschichten, die einen ins Abenteuer ziehen von Living like the Renegades gestoßen. Und da mich “Joty, der Ameisenbär” von Vangri Kaingang in ein Abenteur gestürzt hat, das bis heute mein Leben bestimmt, bin ich gerne bei der Blogparade dabei.
Bildquellen
- vangri_kaingang: © https://klausreuss.manaus.br
- daniel_munduruku: © https://klausreuss.manaus.br
Pingback:#buchpassion – Edition: Mein Bekenntnis zum Buch 9.-11.9.2016
Lieber Klaus,
ich danke dir, dass du doch noch für #buchpassion einen Artikel geschrieben hast. Für mich ist es sehr interessant zu lesen, wie viele Strapazen du hinter dich gebracht hast bisher. Und ich hoffe inständig, dass es das alles wert ist und am Ende Bücher aus den Manuskripten werden.
Viele Grüße,
Janine
Hallo Janine,
danke für die lieben Worte! Denke mal, das ist nicht anders als bei den meisten Autoren. (Nur dass ich eben nicht der Autor bin.) Und jetzt sieht es ja richtig gut aus.
Liebe Grüße
Klaus
Wow, ich wünsche dir viel Erfolg und weiterhin viel Durchhaltevermögen! Ich habe vorher noch nie etwas über indigene Literatur gelesen und bin jetzt nach deinem Artikel sehr neugierig geworden!
Danke, Kuno, für den lieben Kommentar. Und ich freue mich, dass ich deine Neugier wecken konnte! Und ich hoffe, dass es nicht mehr lange dauert, die Neugier auch befriedigen zu können.