Die Manacapuru-Phase: Runddörfer und Terra Preta
Die Erforschung der präkolumbischen Kulturen im Amazonasgebiet hat in den letzten Jahrzehnten deutlich tiefergreifende Einblicke in die reiche Geschichte dieser Region geliefert. Besonders interessante Entwicklungen gab es in der Manacapuru-Phase, die Teil der Borda Incisa-Tradition in der zentralen Amazonasregion ist.
Zeitliche Einordnung und kultureller Kontext
Die Manacapuru-Phase wird traditionell auf einen Zeitraum zwischen dem 4. und 9. Jahrhundert n. Chr. datiert, wobei neuere Forschungen darauf hindeuten, dass ihre Anfänge möglicherweise bis ins 1. Jahrhundert zurückreichen. Sie gilt als Teil eines kontinuierlichen Veränderungsprozesses innerhalb der Borda Incisa-Tradition, der schließlich zur Entstehung der späteren Paredão-Phase führte.
Interessanterweise deuten einige Studien auf eine mögliche Unterteilung der Manacapuru-Phase hin. Die frühere Phase, als „Manacapuru Antigo“ bezeichnet, zeichnet sich durch eine Dominanz geometrischer und geradliniger Muster in der Keramikdekoration aus. Im Gegensatz dazu zeigt die spätere „Manacapuru Recente“-Phase eine verstärkte Verwendung von modellierten Applikationen und Inzisionen.
Keramik als kultureller Fingerabdruck
Die Keramik der Manacapuru-Phase ist ein guter Einstieg in die Kultur ihrer Schöpfer. Sie weist zwar eine geringere Formenvielfalt auf, bildet jedoch mit erweiterten Ränder und Verzierungen mit abstrakten, zoomorphen und anthropomorphen Formen eine neue Formensprache aus. Die Verwendung von Cauixi als Magerungsmittel ist ein charakteristisches Merkmal, das die Manacapuru-Keramik mit der breiteren Borda Incisa-Tradition verbindet.
Die Dekoration der Keramik ist aufwendig und vielfältig. Neben den bereits erwähnten modellierten Figuren finden sich Ritzungen aller Art und Engoben. Besonders auffällig ist die Tendenz zu restriktiven Formen und die Ersetzung von Flächenlippen durch ausladende Ränder. Diese dienten nicht nur der Hervorhebung der Gefäßform, sondern boten auch eine Fläche für Dekorationen.
Ein interessantes Detail sind die zoomorphen Motive, insbesondere Vogel-Darstellungen, die sich in Form von Anhängseln und modellierten Applikationen finden. Dies könnte auf die Bedeutung bestimmter Tiere in der Kosmologie oder dem Alltagsleben der Manacapuru-Kultur hindeuten.
Die Vielfalt der Dekorationstechniken ist immer noch beeindruckend. Inzisionen aller Art – fein, breit, einfach, doppelt oder mehrfach – sind die häufigsten dekorativen Elemente. Hinzu kommen Punktverzierungen, Fingernagelabdrücke und Fingerabdrücke, die oft an Lippenrändern zu finden sind. Besonders interessant ist die Bemalung, die sich von der in früheren und späteren Phasen unterscheidet. Die Farben, meist dunkelrot oder schwarz, wurden direkt auf die polierte Oberfläche des Gefäßes aufgetragen und bildeten feine Linien mit geometrischen, spiralförmigen oder Mäandermustern.
Es ist wichtig zu beobachten, wie sich die Keramiktradition im Laufe der Zeit entwickelte. Im Vergleich zur vorhergehenden Açutuba-Phase zeigt die Manacapuru-Phase eine geringere Formenvielfalt, was auf eine zunehmende Standardisierung hindeutet. Diese Tendenz setzte sich in der nachfolgenden Paredão-Phase fort. Dennoch bleibt die Manacapuru-Keramik ein beeindruckendes Zeugnis handwerklichen Könnens und künstlerischen Ausdrucks.
Terra Preta: Zeuge menschlicher Aktivität
Ein bedeutender Aspekt der Manacapuru-Phase ist ihre Verbindung mit der Entstehung von Terra Preta, auch bekannt als „Indianische Schwarzerde“ oder Amazonische Schwarzerde (ADE). Diese anthropogenen Böden sind ein eindrucksvolles Zeugnis menschlicher Einflussnahme auf die Umwelt und bieten wichtige Einblicke in die Lebensweise der präkolumbischen Amazonasbewohner.
Terra Preta entstand durch die Ablagerung organischer und fester Abfälle, Verbrennung und Bodenbewirtschaftung in und um Siedlungen. Diese dunklen, nährstoffreichen Böden enthalten oft Spuren von Kulturmaterial wie Keramik, lithisches Material, wie Pfeilspitzen und Schaber, und Holzkohle. Ihre Entstehung wird mit Sesshaftigkeit in Verbindung gebracht, auch wenn die genauen Praktiken und die Intentionalität ihrer Schaffung noch nicht vollständig geklärt sind.
Die Präsenz von Terra Preta an Fundorten der Manacapuru-Phase deutet auf bedeutende soziale Veränderungen hin, wie die Intensivierung sesshafter Siedlungsmuster und Bevölkerungswachstum. Es legt Vermutungen nahe, dass diese Entwicklungen mit einer verstärkten Nutzung landwirtschaftlicher Strategien einhergingen, auch wenn direkte Beweise für spezifische Anbau- oder Konsumpraktiken fehlen.
Auch die Erforschung von Terra Preta hat unser Verständnis der amazonischen Vergangenheit revolutioniert. Sie widerlegt frühere Annahmen einer dünn besiedelten „unberührten Wildnis“ vor der europäischen Ankunft und zeigt stattdessen eine komplexe Geschichte menschlicher Besiedlung und Umweltgestaltung. Die Fähigkeit der indigenen Völker, fruchtbare Böden zu schaffen, deutet auf ein tiefes ökologisches Wissen und möglicherweise komplexere Gesellschaftsformen hin.
Siedlungsformen und soziale Strukturen
Die Manacapuru-Phase brachte auch interessante Veränderungen in den Siedlungsmustern mit sich. Im Gegensatz zur vorherigen Açutuba-Phase, deren Funde hauptsächlich in mehrkomponentigen Fundstätten gemacht wurden, finden sich Manacapuru-Siedlungen sowohl in ein- als auch mehrkomponentigen Fundstätten. Besonders bemerkenswert ist die Assoziation mit kreisförmigen Dörfern, was auf eine veränderte Raumnutzung und möglicherweise komplexere soziale Strukturen hindeutet.
Ein herausstechendes Beispiel für diese Siedlungsform ist die Fundstätte Osvaldo. Hier deutet die räumliche Verteilung der Keramik darauf hin, dass die Wohneinheiten kreisförmig um einen zentralen Platz angeordnet waren. Diese Anordnung könnte auf eine stärker strukturierte Gemeinschaft hinweisen, vielleicht mit einem zentralen Versammlungsort für soziale oder rituelle Aktivitäten.
Archäologische Untersuchungen haben auch Einblicke in die interne Organisation der Siedlungen geliefert. Es gab offenbar unterschiedliche Nutzungsbereiche, einschließlich Wohn- und Abfallbereichen. Die Analyse der räumlichen Verteilung von Artefakten und Bodeneigenschaften innerhalb der Fundstätten hat gezeigt, wie sich die Raumnutzung im Laufe der Zeit veränderte. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Fundort Hatahara, wo ein ursprünglich für die Landwirtschaft genutzter Bereich später zu einer Abfallentsorgungsstelle wurde.
Die Manacapuru-Phase wird auch mit dem häufigen Vorkommen von Hügelbauten in Verbindung gebracht. Diese künstlichen Erhebungen könnten verschiedene Funktionen gehabt haben, von praktischen Zwecken wie Hochwasserschutz bis hin zu rituellen oder sozialen Bedeutungen. Ihre Präsenz deutet auf ein hohes Maß an Arbeitsorganisation und möglicherweise soziale Hierarchien hin.
Bedeutung und offene Fragen
Die Manacapuru-Phase stellt einen wichtigen Zeitraum in der präcabralinischen (präkolumbischen) Geschichte Amazoniens dar. Sie zeigt eine Gesellschaft im Wandel, mit zunehmender Sesshaftigkeit, möglicherweise intensivierter Landwirtschaft und komplexeren sozialen Strukturen. Die reiche materielle Kultur, insbesondere die Keramik, zeugt von einer hohen handwerklichen Fertigkeit und einem ausgeprägten ästhetischen Sinn.
Dennoch bleiben viele Fragen offen. Wie sahen die genauen Subsistenzstrategien aus? Welche Pflanzen wurden angebaut oder gesammelt? Wie waren die sozialen und politischen Strukturen organisiert? Wie interagierten die Menschen der Manacapuru-Phase mit anderen Gruppen in der Region?
Die fortgesetzte archäologische Forschung in Amazonien verspricht, weitere Einblicke in diese faszinierende Kultur zu liefern. Jede neue Entdeckung trägt dazu bei, das Bild einer reichen und komplexen präkolumbischen Vergangenheit zu vervollständigen und unser Verständnis der menschlichen Adaption an die einzigartige Umwelt des Amazonasbeckens zu vertiefen.
Die Manacapuru-Phase erinnert uns daran, dass die Geschichte Amazoniens weit vor der europäischen Ankunft begann. Sie erzählt von Menschen, die ihre Umwelt nicht nur bewohnten, sondern aktiv gestalteten und dabei dauerhafte Spuren hinterließen. Ihr Erbe lebt nicht nur in den archäologischen Funden fort, sondern auch in den fruchtbaren Terra Preta-Böden, die bis heute die Landschaft prägen. Die Erforschung dieser Phase hilft uns, die Tiefe und Komplexität der amazonischen Geschichte besser zu verstehen und würdigt die Leistungen der indigenen Völker, die diese bemerkenswerte Region seit Jahrtausenden ihr Zuhause nennen.
Quellen:
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