Der Amazonas brennt – Informationen von Erika Berenguer
Der Amazonas brennt, ich sitze quasi daneben und kann nichts schreiben. Die Schmerzen sind einfach zu groß. Aber das Thema ist wichtig und ich habe einen Text gefunden, von einer Frau, einer Forscherin, die sich seit Jahren mit dem Thema beschäftigt. Erika Berenguer ist leitende Forscherin in Oxford und Lancaster und Spezialistin für tropischen Regenwald, dessen Störungen, die von Menschen verursacht werden und deren Einfluss auf die Biodiversität und die Fähigkeit Kohlenstoff zu speichern. Außerdem ist sie beim Netzwerk „RAS – Rede Amazonia Sustentavel“ aktiv (Netzwerk Nachhaltiges Amazonien)
Der Text war schon auf Portugiesisch in den sozialen Netzwerken Facebook und Twitter, trotzdem fühle ich mich zu großem Dank verpflichtet, dass Erika Berenguer, mir die Erlaubnis gab, den Text zu übersetzen und auf meiner Seite zu veröffentlichen.
Text (im Original auf Portugiesisch) von Erika Berenguer
mit freundlicher Erlaubnis der Autorin. Übersetzung Klaus Reuss.
Erika Berenguer
Ich arbeite seit 12 Jahren am Amazonas und seit 10 Jahren beschäftige ich mich mit den Auswirkungen von Bränden im größten tropischen Regenwald der Welt. Sowohl meine Promotion als auch meine Arbeit danach sind zu diesem Thema. Und ich habe verbrannten Wald schon häufiger gesehen unter meinen Füßen, als ich mich daran erinnern möchte. Ich fühle mich also verpflichtet, sowohl als Wissenschaftlerin als auch als Brasilianerin, Klarstellungen beizutragen, da ja für die Mehrheit der Leute die Realität am Amazonas so weit entfernt ist.
Gerodete Waldfläche am Amazonas. Im Hintergrund steht Regenwald.
Wer oder was verursacht die Waldbrände am Amazonas?
Das erste, und zugleich das wichtigste, ist, dass Feuer im amazonischen Regenwald nicht auf natürliche Weise ausbrechen. – Sie benötigen einen menschlichen Auslöser der Entzündung, oder mit anderen Worten, jemand muss Feuer legen. Im Gegensatz zu anderen Ökosystemen wie dem Cerrado, hat sich Amazonien NICHT mit Bränden entwickelt und diese Brände sind KEIN Teil seiner Dynamik. Das bedeutet, dass, wenn der Amazonas Feuer fängt, ein immenser Teil seiner Bäume stirbt, weil sie über keinerlei Art von Schutz gegen das Feuer verfügen.
So wie sie sterben, zersetzten sich diese Bäume und geben den kompletten Kohlenstoff, den sie gespeichert haben, an die Atmosphäre ab und tragen somit zum Klimawandel bei. Das Problem dabei ist, dass der Amazonas verdammt viel Kohlenstoff in seinen Bäumen speichert. Der ganze Wald enthält in etwa CO² wie die USA in hundert Jahren verursachen. Den Wald zu verbrennen bedeutet also, dass viel CO² wieder in die Atmosphäre gelangt.
Welche Typen von Waldbränden gibt es am Amazonas?
Die Brände, die also zwangsläufig von Menschen verursacht sind, unterscheiden sich in zwei Typen: Die, mit denen ein Acker gesäubert wird, und die, mit den eine Fläche gerodet wird. Das, was wir jetzt sehen, gehört zum zweiten Typ. Um einen Wald zu roden, fällt man zunächst die Bäume. Dies geschieht normalerweise mit einer Technik, die man Correntão nennt. Dabei werden zwei Traktoren mit einer Kette verbunden. Wie die Traktoren fahren, reißt die Kette zwischen ihnen den Wald zu Boden. Der umgestürzte Wald bleibt eine Zeitlang zum Trocknen liegen, normalerweise in Monaten der Trockenzeit, denn so verliert die Vegetation genügend Feuchtigkeit, um angebrannt werden zu können und dabei vollständig zu verbrennen, sodass es dann möglich ist, Gras zu pflanzen. Die großen Brände, die wir zurzeit sehen, und die den Himmel über São Paulo verdunkelt haben, repräsentieren diesen letzten Schritt in der Entwaldung, der den umgestürzten Wald in Asche legt.
Neben dem Verlust an Kohlenstoff und an Biodiversität, die durch die Entwaldung verursacht werden, gibt es einen weiteren, Verlust, der weniger ins Auge fällt – und das passiert in verbrannten Waldstücken. Das Feuer der Brandrodung kann auf Flächen übergreifen, die nicht abgeholzt sind, und wenn er trocken genug ist, beginnt auch der stehende Wald zu brennen. Der Wald kann dann nur noch 40 % weniger des Kohlenstoffs speichern gegenüber der Menge, die er vorher speichern konnte. Und auch hier wieder ist dieser Kohlenstoff in die Atmosphäre entwichen.
Verbrannte Wälder hören auf, ein luxuriöses Grün zu sein, das Leben wird zu Aas, der kakofone Klang der verschiedensten Tiere verstummt. – der Wald nimmt graue und braune Farbtöne an, und die einzigen Geräusche, die zu hören sind, stammen von den fallenden Bäumen. Die Trockenzeit brachte schon immer Waldbrände, und seit Jahren versuche ich, Aufmerksamkeit für den brennenden Wald zu wecken. So wie 2015, als der Wald durch El Niño außergewöhnlich trocken war.
Was ist 2019 anders?
Was dieses Jahr jetzt anders ist, ist das Ausmaß des Problems: Der Anstieg der Abholzung im Zusammenspiel mit den unzähligen Feuern der Brandrodung, mit der Erhöhung der Emission von Kohlenmonoxid (das anzeigt, dass der Wald in Flammen steht), und die im schwarzen Regen von São Paulo kulminierte, mit der Umleitung von Flügen von Rondônia nach Manaus, Städten, die beinahe tausend Kilometer auseinander liegen. Doch das am meisten alarmierende der ganzen Geschichte ist, dass wir uns erst am Beginn der Trockenzeit befinden. Im Oktober, wenn der Höhepunkt der Trockenzeit in Pará ankommt, sieht die Tendenz noch viel schlimmer aus. Im Jahr 2004 war Brasilien bei 25.000 Qkm abgeholzten Wäldern pro Jahr. Von da an konnten wir die Rate um 70 % senken.
Kann man die Entwaldung bremsen?
Es ist möglich die Entwaldung zu bremsen und zu bekämpfen, aber dafür ist abhängig vom Druck der Gesellschaft, wie auch vom politischen Willen. Es ist abhängig davon, dass die Regierung die Verantwortung für die aktuellen Zahlen übernimmt und aufhört mit einem Diskurs, der die Straflosigkeit auf dem Land befördert. Es ist notwendig zu verstehen, dass es ohne den Amazonasregenwald keinen Regen im Land gibt, was unsere landwirtschaftliche Produktion und unsere Energieversorgung auf´s Spiel setzt. Es ist notwendig zu verstehen, dass der Amazonas nicht eine Gruppe von Bäumen ist, sondern unser größtes Gut.
Igarape mit einem umgestürzten Baum in der RDS Rio Negro, einem Schutzgebiet für nachhaltige Entwicklung. Immer noch ein kleines Paradies.
Es ist so schmerzhaft.
Und es verursacht unbeschreibliche Schmerzen, zu sehen, wie sie den größten tropischen Regenwald, das Objekt meiner Studien, mein eigenes Heimatland, verbrennen. Der Geruch von gegrilltem Fleisch zusammen mit der tiefen Stille eines verbrannten Waldes sind Bilder, die ich nie mehr aus dem Kopf bekommen werde. Aber beim aktuellen Stand der Dinge muss man nicht Forscher sein oder Bewohner der Region, um den Schmerz zu fühlen, den der Verlust des Amazonas verursacht. Die Asche unseres Landes sucht die Leute in der großen Metropole. Ich bin dreißig Jahre in dieser Region geflogen, und niemals wurde mein Flug umgeleitet, weil ein Flugplatz wegen Rauchschwaden geschlossen war. Einmal war der Flughafen in Cuiabá geschlossen, in den 70er Jahren.
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