Manaus – Die Geschichte und der Kautschuk
Wenn der Name Manaus fällt, weiß nicht jeder sofort, wo er die Stadt einordnen soll. Deshalb werde ich sie euch kurz vorstellen:
Manaus ist die Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaats Amazonas. Sie liegt ca 1300 Kilometer Luftlinie westlich von der Mündung des Amazonas in den Atlantik bei Belem, 1500 km nordöstlich der Hauptstadt Brasilia, und 1100 Kilometer östlich von Leticia, der Grenze zu Kolumbien. Mit drei Grad südlicher Breite liegt sie fast unmittelbar am Äquator. Außer der Straße BR 174, die über Boa Vista nach Venezuela führt, ist Manaus nur per Schiff oder per Flugzeug zu erreichen. Auch wenn sich in weiten Teilen Brasiliens die Vorstellung hält, dass Manaus ein kleines Dorf wäre, ist es doch eine große Stadt mit ca 2 Millionen Einwohnern.
Indigene, Spanier, Portugiesen
Der Amazonas war eine der ersten Regionen, in denen Spanier ins Landesinnere vordrangen. Schon 1542 entdeckte Franzisco de Oranella den Rio Negro und fuhr bis zur Mündung des Amazonas. Zunächst auf der Suche nach dem sagenhaften Goldland El Dorado, bald jedoch machten sich Jesuiten auf, die in Anführungszeichen „verlorenen Seelen der Indianer zu retten“. Der spanische Missionar Jose de Anchieta erfand die Sprache Nheengatu, die auf Tupi-Sprachen aufbaute, die Verständigung der verschiedenen indigenen Völker – und natürlich ihre Missionierung – erleichtern sollte.
Ende des 1669 gründeten Portugiesen am Zusammenfluss des Rio Negro mit dem Rio Solimões das Fort „Forte Sao José da Barra do Rio Negro“. Nach einem der indigenen Völker, die dort lebten, den Manaos erhielt die Stadt später ihren Namen. Die Schreibweise mit Manaus setzte sich erst sehr spät durch. 1823 schloss sich die Kolonie Groß-Para und Rio Negro dem Kaiserreich Brasilien an.
Der weitere Fortgang der Geschichte nahm seinen Ausgang jedoch tausende Kilometer nördlich von Manaus in den USA. Dort gelang es Charles Goodyear Kautschuk zu vulkanisieren und im Zuge der Industrialisierung wuchs der Bedarf an Kautschuk rasant. Natürlicherweise wuchs Kautschuk nur in der Amazonasregion und Versuche in anderen Landesteilen Kautschuk in Plantagen zu pflanzen schlugen fehl. Die Region Manaus hatte quasi ein Monopol auf den begehrten Rohstoff und gelangte in kürzester Zeit zu immensem Reichtum.
Das Paris der Tropen
Seit der industriellen Nutzung von Kautschuk erlebt Manaus einen wahren Boom. Ab Ende der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts gab es Schiffsrouten die Manaus direkt mit Liverpool und New York verbanden. Manaus war wohl die am weitesten entwickelte Stadt Brasiliens. Sie hatte als erste elektrische Licht und ein Wasser- und Abwassersystem. In dieser Zeit entstanden prachtvolle Gebäude wie der Justizpalast, aber auch prunkvolle Anwesen der Kautschukbarone. Der Palast des deutschen Kautschukbarons Waldemar Scholz wurde 1918 vom Staat Amazonas gekauft und Regierungssitz. Heute befindet sich im Palaçio Rio Negro ein Museum.
Das bekannteste Gebäude aus dieser Zeit ist das Opernhaus Teatro Amazonas. Für seinen Bau wurden nur die edelsten Baustoffe aus Europa importiert. Und nach Fertigstellung auch die bedeutendsten Sänger engagiert. Einen Eindruck davon vermittelt Werner Herzogs Film Fitzcarraldo mit Klaus Kinski in der Hauptrollen und Enrique Caruso, der im Opernhaus singt.
Aufstieg und Niedergang der Stadt Manaus
Genauso rasant wie der Aufstieg war jedoch der Niedergang der Stadt. Der Reichtum beruhte einzig auf dem Monopol auf Kautschuk, und der Tatsache, dass der Kautschukbaum in Brasilien zwar wuchs, sich aber nicht kultivieren ließ. Der Anfang vom Ende war schon, als es einem Engländer gelang, 70.000 Samen aus Brasilien nach England zu schmuggeln. Doch erst musste es gelingen, aus den Samen Pflanzen zu züchten. Dann mussten diese in englische Kolonien nach Asien gebracht werden. Und von tausenden überlebten nur acht Pflanzen die Überfahrt. Diese mussten in Sumatra dann auch wirklich gedeihen, und schließlich groß werde. Und so dauerte es über 20 Jahre, bis der Kautschukboom zu Ende ging.
Zona Franca
Schon zu Zeiten des Kautschukbooms waren die Seringeros, wie die Kautschuksammler in Brasilien heißen, vom wirtschaftlichen Aufschwung ausgeschlossen und wurden aufs Übelste ausgebeutet. Nach Ende des Kautschukbooms verfielen zwar die Preise, doch die Extrativistas, die Sammler von Kautschuk, Castanhas und anderen Schätzen des Waldes gingen ihrer Tätigkeit nach.
1957 erließ der Präsident Kubitschek ein Dekret, dass Manaus den Rang einer Freihandelszone einräumte. Es sollten internationale Konzerne angelockt werden und wurden es auch. So gründete Honda eine Motorradfabrik, die zu den größten außerhalb Japans gehört. Die Wirtschaft in Manaus erholte sich und die Stadt wuchs. Währen die Stadt zu Zeiten des Kautschukbooms von wenigen hundert Einwohnern auf 50.000 gewachsen war, erreicht sie heute, gut hundert Jahre später die 2-Millionen-Grenze.
Chico Mendes
Schnell bedrohten die damit verbundene Umweltzerstörung die Lebensgrundlage der Extrativistas. Und es waren die Seringeros, die Kautschukpflanzer, die sich zuerst organisierten, und unter der Führung von Chico Mendes für das Recht auf ihr Land eintraten. Und zusammen mit Indigen für den Erhalt es Ökosystems kämpften. 1977, während der Zeit der Diktatur, gründete Mendes die Gewerkschaft der Kautschukpflanzer. 1980 trat er in die neugegründete Arbeiterpartei ein. 1988 wurde von einem Großgrundbesitzer in der Tür seines eigenen Hauses erschossen.
Manaus heute
Heute ist Manaus eine modere Großstadt mit vielen Facetten. Sie ist dank der Freihandelszone eine der wirtschaftlich stärksten Städte Brasiliens, hat ein relativ hohes Durchschnittseinkommen und eine Analphabetenquote von etwa 2 %. Und Manaus ist im Zentrum trotz seiner Größe fast beschaulich.
Manaus hat einen hohen Bildungsstand, viele kulturelle Ereignisse und eine lebendige alternative Szene. Auf dem Platz am Teatro Amazonas spiele junge Leute tagsüber Samba und abends Rockmusik. Es gibt keine Berührungsängste zwischen der verschiedenen Gruppe, und auch nicht zur schwul, lesbisch, transgender Szene, die auch weit vielfältiger als in anderen Städten ist.
Trotzdem hat die Entwicklung auch ihre Schattenseite. Viele der neuen Siedlungen sind wild entstanden, folgen keinem Plan und das Abwasser fließt ungeklärt in Seen, die einmal idyllisch waren. Noch schlimmer ist es im Umland. Die Straßen fressen sich in den Urwald, und von den Straßen kilometerweit ins Hinterland.
Hallo Klaus,
bisher war ich leider noch nicht da, doch allein schon der Name Manaus assoziere ich mit dem Amazonas und dem Regenwald. Vielen Dank für diesen schönen Überblick!
Viele Grüße,
Marion
Hallo Marion,
danke für deinen Kommentar. Ja, Manaus, der Amazonas und der Regenwald. Wir sind eigentlich auch lieber in der Natur, am Fluss und im Wald. Aber Manaus ist auch eine Großstadt mit Industrie, toller Architektur und einer spannenden Geschichte. Und gerade in Brasilien selbst wird das oft vergessen.
Viele Grüße
Klaus